Bad Lieutenant

Ein einsamer Wolf im urbanen Dschungel war „Dirty Harry“. Ein gewalttätiger Individualist mit gebrochener Moral, der einen unmöglichen Traum träumte: dass es möglich wäre, mit einer großkalibrigen Knarre in der Hand das Grundrecht auf Freiheit zu erzwingen. Irgendwie passte er nicht in die Zeit – die bewegten 70er -, dennoch spiegelte er, überlebensgroß, zeitgemäße Sehnsüchte.

Clint Eastwood hat sie lange zelebriert, diese pubertären Fantasien aller einsamen Menschen im Kino. Er lebte „Dirty Harry“ geradezu, diesen Besessenen, dem man besser nicht zu nahe kommen sollte.

Von „Dirty Harry“ zum „Bad Lieutenant“ ist es im Grund nur ein kleiner Schritt: der Kampf für das Wahre und Gute, die Rebellion gegen ein ungerechtes, korruptes System war erfolglos. Inzwischen gibt es keine Träume mehr, auch keine Hoffnungen und erst recht keine Moral.

Nicht einmal einen Namen hat der Held in Abel Ferraras bizarrem Märchen der Gewalt. Womöglich, weil er nichts heldenhaftes an sich hat, dieser Lieutenant bei der New Yorker Drogenpolizei. Er ist ein Schwein: durchtrieben, zynisch, brutal – und süchtig. Ob Alkohol oder Kokain, ob Heroin oder Crack. Alles ist ihm recht. Und alles ist ihm egal.

Dieser „Bad Lieutenant“, den Harvey Keitel mit lakonischer Präzision und ohne jede schauspielerische Anstrengung entwirft, führt einen Krieg gegen die Welt und besonders gegen sich selber. Es gibt nichts, wofür man ihn lieben könnte: weder wie er seine Familie behandelt, noch wie er seinen Job macht.

Erst als eine junge Nonne vergewaltigt wird, unter dem Altar, geschändet mit einem Kruzifix, macht er sich auf die Jagd. Doch man durchschaut recht schnell sein Motiv: die Mafia hat eine Belohnung von 50.000 Dollar ausgesetzt. Geld, das er dringend braucht, um seine Wettschulden bezahlen zu können. Am Ende kommen die Täter mit heiler Haut davon, weil sich die Nonne weigert, ihre Identität preiszugeben. Der Lieutenant hingegen stirbt – ganz zufällig scheinbar, doch mit einer letzten Geste, die offenbart, dass das Leben für ihn eine einzige Kraftvergeudung gewesen sein muss.

Das düstere Protokoll einer langsamen Selbstzerstörung.

 

Bad Lieutenant USA 1993, 96 Minuten, ab 16 Jahren, R: Abel Ferrara D: Harvey Keitel, Frankie Thorn, Paul Hipp, Victor Argo

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