Wie bitte? Noch ein Film über alte Männer, die Musik machen? Ja, noch ein Film! Und was für ein Film!
„El Acordeón del Diablo“ entführt uns an die kolumbianische Atlantik-küste, in die Heimat von Francisco „Pacho“ Rada, der als Erfinder des „Son“ gilt, einem der vier Vallenato-Rhythmen.
Vallenato war lange die Musik der armen Landbevölkerung Kolum-biens, bevor sie in den 70er Jahren von den Drogenbossen vereinnahmt, in Clubs und Radiosendern gespielt und so kommerziell erfolgreich wurde.
Pacho Rada ist inzwischen 93 Jahre alt. Während seine Musik die Charts stürmt, lebt er fast mittellos in einer Wellblechhütte, gemeinsam mit einem Akkordeon und seinen Erinnerungen. Hier hat ihn Regisseur Stefan Schwietert besucht, um seine spannende Lebensgeschichte, die schon Gabriel García Márquez zu der Figur des Troubadours Francisco El Hombre in seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ inspi-riert hat, in Bilder zu übersetzen.
Mit vier Jahren nimmt Pacho zum ersten Mal eine Ziehharmonika – übrigens ein Instrument der Firma Hohner aus Deutschland – in die Hand und lässt sie nie wieder los. Als junger Mann zieht er von Dorf zu Dorf, von Fest zu Fest, spielt und singt für eine Handvoll Centavos über seine Freunde, die Natur, aber vor allem über die Frauen und die Liebe – einmal 40 Tage und Nächte ununterbrochen. Hunderte von Liedern hat er komponiert auf seinen Reisen, viele davon gelten heute als Klassiker. Einmal, in einer stock-dunklen Nacht hat er sogar den Teufel in einem Akkordeon-Duell bezwungen und so seine Seele gerettet, berichtet Pacho, der 422 (!) Enkel und Urenkel hat.
„Wer nicht singt“, sagt Márquez, „ahnt nichts von dem Glück, das im Singen liegt, vom absoluten Glück.“
Wie in „Hundert Jahre Einsamkeit“ sind auch in „El Acordeón del Diablo“ die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit fließend. Der alltägliche Überlebenskampf ist für Pacho ebenso real wie die alten Legenden über Dämonen und Hexen. Unaufdringlich und einfühlsam begleitet Schwietert den alten Mann auf seiner Reise in beiden Welten: in ein Land, das von Armut, Drogen und Gewalt zerrüttet ist, und in ein Reich fantastischer Geschichten und einer Musik, die direkt aus den Herzen der Menschen zu strömen scheint. Menschen, die nicht nur den Teufel in einem Akkordeonduell besiegen würden, sondern bestimmt auch den lieben Gott.
El Acordeón del Diablo Deutschland/Schweiz 2000, 90 Minuten, ab 6 Jahren, R: Stefan Schwietert, D: Alfredo de Jesús Gutiérrez Vital, Antonio Jamarillo, Manuel Rada Oviedo, Francisco Rada