Michael Haneke liebt die Provokation. Wie schon zuvor in „Funny Games“ überschreitet der in Österreich lebende Regisseur auch in „Die Klavierspielerin“ lustvoll die Grenzen des guten Geschmacks. Haneke erzählt die Geschichte der Erika Kohut, die durchaus das Zeug zu einer großen Pianistin hätte. Anstatt aber auf den Bühnen dieser Welt Triumphe zu feiern, fristet die 40-Jährige ein trauriges Dasein als Klavierlehrerin. Nach wie vor steht sie unter der Fuchtel ihrer Mutter, mit der sie sogar das Bett teilt. Und auch ihre heimlichen Leidenschaften erscheinen rätselhaft: In finsteren Pornokinos schnuppert sie an spermagetränkten Taschentüchern. Sie flüchtet sich in masoschistische Fantasien, die sie mit Hilfe einer Rasierklinge auch schon einmal auslebt. Oder sie verfolgt mit voyeuristischer Begierde Liebespaare im Autokino. Und ausgerechnet in diese Frau verliebt sich der Student Walter …
So beunruhigend und schrullenhaft wie schon Elfriede Jelineks Roman kommt auch Hanekes Verfilmung daher. Seinen Reisebericht in lüsterne Fantasiewelten illustriert er mit minutenlangen Einstellungen, in denen nicht viel mehr als ein Rücken oder ein regungsloses Gesicht zu sehen ist Distanziert, beinahe steril setzt er die Kamera ein, um eine Geschichte sichtbar zu machen, der man sich trotz aller schräger Obsessionen, Bosheiten und Geschmacklosigkeiten unmöglich entziehen kann.
Die Klavierspielerin Österreich/Deutschland 2001, 130 Minuten, ab 16 Jahren, R: Michael Haneke, D: Isabelle Huppert, Benoit Magimel, Annie Girardot