„Ich weiss sehr wohl, wie widersprüchlich man sein muss, um wirklich konsequent zu sein“, hat Pier Paolo Pasolini einmal gesagt. Wiedersprüchlichkeit und Konsequenz hat die Arbeiten des italienischen Filmemachers von Anfang an ausgezeichnet. Bereits seine frühen Filme „Accatone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ (1961) und „Mamma Roma“ (1962) waren sowohl vom Neorealismus, als auch vom christlichen Glauben beeinflusst.
„Mamma Roma“ erzählt die Geschichte einer Prostituierten, die sich in der Welt bürgerlicher Wohlanständigkeit einrichtet, um ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie zieht in eine achtbare Neubausiedlung und verdient ihren Lebensunterhalt mit einem Gemüsestand. Schnell geht sie in ihrer Rolle als fürsorgliche Mutter auf. Sie arrangiert sich mit der neuen Existenz, nicht ahnend, dass die Spielregeln dieser spießbürgerlichen Welt ebenso brutal sind, wie das Faustrecht des Rotlicht-Milieus. Schließlich holt die Vergangenheit Mamma Roma und ihren Sohn ein …
Pasolinis sprödes und gleichermaßen wunderschönes Sozialdrama vereint scheinbar Unvereinbares: Prostitution mit Liebe, Verbrechen mit Gerechtigkeit, christliche Demut mit sozialem Widerstand, Häßlichkeit mit Ästhetik. Trotz einer Reihe eher eindimensionaler Symbole (etwa am Schluss, wenn der Sohn wie ein Gekreuzigter an seine Pritsche gefesselt ist) gilt der Film noch heute als ein Vorbild an individueller Kino-Ästhetik.
Mamma Roma Italien 1962, 106 Minuten, ab 16 Jahren, R: Pier Paolo Pasolini, D: Anna Magnani, Ettore Garofolo, Franco Citti