Spiel mir das Lied vom Tod (C’era una volta il West)

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„Habt ihr ein Pferd für mich mitgebracht?“ fragt der namenlose Mundharmonikaspieler, der an der einsamen Bahnstation aus dem Zug gestiegen ist, doch die drei Halunken in den langen Mänteln scheinen ihn nicht ernst zu nehmen: „Wie du siehst, sind da nur drei Pferde. Sollten wir tatsächlich eines vergessen haben?“ „Ihr habt zwei Pferde zuviel“, erwidert er lakonisch, bevor er das Trio ins Jenseits befördert.

Auch wenn der Originaltitel von Sergio Leones barocker Pferdeoper – „Es war einmal im Westen“ – eher ein Märchen vermuten lässt, sind fast alle Stilmittel des Western vorhanden: der Mann und seine Rache, die Guten und die Bösen, das Duell, der Kampf der Siedler gegen den Fortschritt – symbolisiert durch den Bau der Eisenbahn.

Spektakulär ist die Form der Inszenierung, die den Mythen der amerikanischen Geschichte einerseits huldigt, sie andererseits aber zur pessimistischen, oft gar zynischen Auflösung treibt. Durch den Einsatz extremer Naheinstellungen und Zeitdehnungen (minutenlang krabbelt eine Fliege über das Gesicht des Killers) erzeugt der Film fast rauschhafte Zustände und ermöglicht damit einen Einblick in die Tiefenstruktur des (Italo-)Western.

„Spiel mir das Lied vom Tod“ folgt nichtliterarischen Erzählmustern und entfaltet sich gänzlich aus der Opulenz seiner Bilder und dem legendären Soundtrack von Ennio Morricone.

 

Spiel mir das Lied vom Tod Italien/USA 1968, 164 Minuten, ab 16 Jahren, R: Sergio Leone, D: Henry Fonda, Charles Bronson, Claudia Cardinale, Jason Robards

Barcelona für ein Jahr (L’Auberge Espagnole)

Früher oder später erwischt es jeden: das Leben oder das, was man dafür hält. Das gilt auch für Xavier, dessen bisherige Laufbahn als Student der Wirtschaftswissenschaften eher ereignislos verlief und dessen berufliche Zukunft sowieso in trockenen Tüchern zu sein scheint.

Vorher soll die eigene Mittelmäßigkeit allerdings noch mal massiv aufgemischt werden. Zum ersten Mal weg von Mamas saftigen Steaks und den reizenden Lippen der Freundin. Zum ersten Mal richtig was erleben. Xavier genehmigt sich mit dem EU-Förderprogramm Erasmus zwei Auslandssemester in Barcelona, um mit Twenty-Somethings aus anderen EU-Ländern den multikulturellen Gemeinschaftssinn zu erproben.

Was folgt, ist ein sprachliches und kulturelles EU-Chaos in Miniatur: „L’Auberge Espagnole“, so der Originaltitel von Céderic Klapischs europäischer Teeniekomödie „Barcelona für ein Jahr“.

Statt der in Hollywood üblichen grenzdebilen Zoten, präsentiert das französische Regietalent seine „Coming-of-Age“-Story mit einer ordentlichen Portion Charme: Es stimmt alles, die absurden Diskussionen über Klischees: „Spanien ist mehr als Flamenco“ oder „Ihr Deutschen seid immer so penibel“, gemeinsam aus einer Kneipe torkeln und mit Lachkrämpfen in den Morgen fallen. Der Prof, der sich mit kindischem Stolz weigert, den Erasmus-Studenten zuliebe Spanisch zu sprechen, man sei schließlich in Katalonien. Die Entfremdung von den Daheimgebliebenen. Die entsetzliche Zeit vor dem Abschied, wenn man sich noch ein letztes Mal gemeinsam betrinkt, in der Gewissheit, dass man gehen muss, weil der Aufenthalt, der einem bereits wie ein ganzes Leben erscheint, doch nur ein kurzes Zwischenspiel sein kann.

Barcelona für ein Jahr Frankreich/Spanien 2002, 122 Minuten, ab 6 Jahren, R: Cédric Klapisch, D: Romain Duris, Audrey Tautou, Barnaby Metschurat

Modern Times (Moderne Zeiten)

moderntimes Er hatte den kindlichen Blick. Mit seinen traurigen Clownsaugen schien er Gefahren nicht zu sehen, also existierten sie auch nicht. Genauso wenig wie Kleiderordnungen, Verkehrsregeln oder Moralvorschriften.

Charles Spencer Chaplin, den alle nur „Charlie“ nannten, hatte durchaus Stil. Sein pikiertes Naserümpfen war von den oberen Zehntausend ausgeborgt, ein Requisit wie das Hütchen, das er unnachahmlich zur Seite lüften konnte, die Pluderhosen, die abgenutzten Schuhe und der Schlips, der wie eine Henkersschlinge wirkte. Seinen Spazierstock gebrauchte er gekonnt dandyhaft. Er versuchte sich zu arrangieren, sich anzupassen, um Einlaß in den Salons zu finden, auch wenn sein plebejisches Temperament ein ums andere Mal durch die Fassade brach: Dann schlug er wild um sich und entblößte seine Raubtierzähne.

1914 trat Charlie das erste Mal als Tramp auf. Schnell wurde diese Figur aus kindlicher Unschuld und Angriffslust zu seiner Paraderolle: ein Habennichts, für den es immer um die Wurst ging, der perfekte kleine Mann. In „Moderne Zeiten“, jener unvergleichlichen Mischung aus Slapstick und Sozialkritik, aus Melancholie und Maschinenstürmerei, gab er die Rolle zum letzten Mal.

Unvergessen sind natürlich die Szenen, die in der Fabrik spielen: Charlie, dem eine neuartige Füttermaschine das Essen um die Ohren haut, der vor den nervtötenden Handgriffen am Fließband so weit kapituliert, dass er beginnt, an einer Frau herumzuschrauben – und schließlich den monströsen Apparat lahm legt. Auch der Song, den er am Schluss zum Besten gibt, ist eine Glanznummer: Mit einem genialen Wortfetzen-Kauderwelsch parodierte Chaplin den acht Jahre zuvor eingeführten Tonfilm.

Ein Kronjuwel aus der Schatzkammer des Kinos.

 

Modern Times (Moderne Zeiten) USA 1936, 87 Minuten, ab 6 Jahren, R: Charles Chaplin, D: Charlie Chaplin, Paulette Godard, Henry Bergman

Die Entdeckung des Himmels

entdeckungdeshimmels„Ein heiteres Spiel, ein ernster Scherz“ nannte Harry Mulisch sein 1992 erschienenes Opus Magnum „Die Entdeckung des Himmels“, einen 870-seitigen Roman, der Zeitgeschichte der 60er und 70er Jahre, Theologie und Philosophie verbindet.

Wie verfilmt man so ein Werk? Im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit. Der holländische Schauspieler Jeroen Krabbé („Auf der Flucht“) hat es gewagt – und einen Achtungserfolg errungen. Seine Adaption ist mitreißendes und anspruchvolles Kino, eine Kombination aus Mystery-Thriller und Drama. Der Preis dafür: eine vollständige Reduktion der Vorlage auf ihre pure Handlung.

Mitte der 60er-Jahre lernen sich zwei ungleiche Männer kennen: der charmante Astrophysiker Max (Greg Wise) und Onno (Stephen Fry), ein exzentrischer Nachwuchspolitiker. Schon bald verbindet sie eine so enge Freundschaft, dass sie sich die „kosmischen Zwillinge“ nennen – und sich in dieselbe Frau verlieben, die bezaubernde Musikerin Ada (Flora Montgomery). Was der Roman kaum thematisiert, wird in Krabbés Film von Anfang an angesprochen: Das ausschweifende Treiben der Flower-Power-Generation ist kein Sittenverfall, sondern vom Schöpfer beabsichtigt. Denn Gott hat Adas ungeborenen Sohn dazu auserwählt, ihm Moses‘ verschollene Steintafeln mit den Zehn Geboten zurückzubringen.
Bei Mulisch ist diese wundersame Mechanik in ein dichtes Netz feinsinniger Diskurse eingebunden, die auf der Leinwand nicht immer darstellbar sind. Krabbé beschränkt sich auf einen zentralen Gedanken, weil er mit ihm den ganzen Stoff in den Griff bekommt: den Gedanken des Determinismus, versinnbildlicht im Getriebe alter Uhrwerke. Deshalb dreht sich alles in diesem Film, die Figuren, das Leben, die Kamera, selbst das Firmament, denn alles gehorcht einem rätselhaften Plan.

In seiner Rasanz entfaltet „Die Entdeckung des Himmels“ eine bezwingende Magie, da nimmt man sogar das triefende Himmelfahrts-Finale in Kauf.

 

Die Entdeckung des Himmels NL 2001, 132 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jeroen Krabbé, D: Stephen Fry, Greg Wise, Flora Montgomery, Neil Newbon

Hellzapoppin (Hellzapoppin – In der Hölle ist der Teufel los)

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Die Verfilmung des langjährigen Broadwayerfolgs von Ole Olsen und Chic Johnson war 1941 eine Sensation: Seit den frühen Filmen der Marx Brothers hatte es nicht annähernd so herrlich Exzentrisches, keinen ähnlichen, fast surrealistischen Humor gegeben. Das Komiker-Duo machte höchst einfallsreich Gebrauch von den Trickmöglichkeiten des Films, etwa in einem Bildstrichgag, in dem ihre Füße die obere Hälfte des Bildes einnahmen, während ihre Köpfe in der unteren Bildhälfte dem dilettantischen Vorführer den Marsch bliesen.

Eine richtige Handlung hat der Film – soweit man das als Zuschauer beurteilen kann – nicht. Es geht wohl um eine Bühnenshow, die dem Nachwuchsautor Jeff den Durchbruch verschaffen soll, damit er endlich seine wohlhabende Freundin heiraten kann.

Wichtiger ist allemal das Feuerwerk an zumeist sinnfreien Dialogen und zahllosen Running-Gags sowie das äußerst spielfreudige Ensemble. Hugh Herbert stößt mit Kopf und Zunge an Gegenstände und Worte, Mischa Auer, dem selbst die Bitte nach einem Stück Brot Probleme bereitet, ist einfach köstlich, und vor allem die voluminöse Martha Raye zeigt sich in Höchstform: Ihre emphatische Interpretation von „Watch the Birdie“ ist ein Höhepunkt des Films. Doch auch die anderen Songs – „What Kind Of Love Is This?“, „Heaven For Two“ oder „Putting On The Dog“ – und die dazugehörigen Tanzeinlagen sind grandios.

Olsen und Johnson konnten den Erfolg ihrer genialen Slapstick-Komödie nie mehr wiederholen; der Nachfolger „Crazy House“ (1944) war vergleichsweise bieder, und sie verschwanden bald von der Bühne.

 

Hellzapoppin – In der Hölle ist der Teufel los USA 1941, 83 Minuten, ab 12 Jahren, R: Henry C. Potter; D: Ole Olsen, Chic Johnson, Martha Raye, Hugh Herbert

Eine kurze Geschichte der Zeit

Seit Jahrtausenden zerbrechen sich Menschen den Kopf über Gott und die Welt: Wie ist das Universum entstanden? Welchen Platz nehmen wir in ihm ein? Woher kommt es und woher kommen wir?

In seinem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“ vermittelt der unter amytropher Lateralsklerose (ALS) leidende britische Physiker Stephen Hawking auf leicht verständliche Weise und ohne mathematische Formeln Theorien der Kosmologie. Er erläutert die Entwicklung des physikalischen Weltbildes und sucht – ausgehend von der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik – nach Antworten auf die gestellten Fragen.

Errol Morris („The Fog of War“) drehte auf der Grundlage des Buches seinen mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm, der in einer Mischung aus Fakten und Anekdoten einem unterhaltsamen, bisweilen humoristischen Strukturprinzip folgt. Aus Interviews mit Hawking, seiner Familie, seinen Freunden und Kollegen schuf der Regisseur ein mitreißendes Porträt des Genies im Rollstuhl, der sich seit vielen Jahren nur noch mithilfe einer Computerstimme verständlich machen kann. Zu der Musik von Philip Glass entstand eine atemberaubende Dokumentation, die Hawkings bahnbrechende Theorien ebenso anschaulich wie verständlich in animierte Sequenzen umsetzt.

 

Eine kurze Geschichte der Zeit England 1991, 80 Minuten, ab 6 Jahren, R: Errol Morris; D: Stephen Hawking

Mulholland Drive

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Die Filme von David Lynch beginnen da, wo das Mainstream-Kino aufhört. Sie stoßen in unbekannte Territorien vor, erforschen die Schattenreiche der Instinkte und Verbote und kehren die Verhältnisse des Vertrauten um: Das Natürliche wird unnatürlich, das Heimliche unheimlich, die Ordnung gerät zur Konfusion. „Ich liebe es, die verborgenen Dinge, die unser Innerstes erschaudern lassen, ans Tageslicht zu bringen“, sagt der exzentrische Regisseur, der die geschönten Glücksbilder einer Wunschwelt stets in Frage gestellt hat. In seinen Filmen erscheint Wärme als Kälte, Geborgenheit als Einengung, Harmonie als Tarnung von Verbrechen, Gewalt, Sünde. „Mulholland Drive“, der Anfang dieses Jahres im Kino lief und jetzt auf DVD und Video zu haben ist, macht da keine Ausnahme.

Eine rätselhafte Schönheit (Laura Elena Harring), die nach einem schauerlichen Unfall das Gedächtnis verloren hat, begegnet zufällig der naiven Betty (Naomi Watts), die so gerne ein Hollywood-Star wäre. Während sich die beiden Frauen auf die Suche nach einer kompletten Biografie machen – und sich dabei ziemlich nahe kommen –, lernen wir in den Subplots zwei weitere schräge Figuren kennen: einen Regisseur (Justin Theroux), der von der Mafia gejagt wird, und einen Auftragskiller, der beinahe seinen Job vermurkst. Die Lösung aller Rätsel könnte ein Mann im Hintergrund haben, der sich selbst nur „Cowboy“ nennt, oder aber der geheimnisvolle Rollstuhlfahrer, der die Macht über verbotene Räume und Träume zu besitzen scheint. Doch wo immer sich die Wahrheit auch verbirgt – sie ist nicht von dieser Welt. Eventuell.

Auch wenn er seinem Gesamtwerk nichts wirklich Neues hinzugefügt hat: Lynch ist mit „Mulholland Drive“ ein handwerklich perfekter, höchst origineller Film gelungen, der mit zahlreichen Mythen unserer Zeit lustvoll spielt. Und wie immer überlässt es der Regisseur dem Zuschauer selbst, sein surreales Thriller-Labyrinth zu ergründen.

Auf Wiedersehen Amerika

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„Man muss die Zuschauer nicht immer mit einem bombastischen Feuerwerk niederschmettern“, sagt Regisseur Jan Schütte (Drachenfutter“, „Fette Welt“). „Man kann auch mit sehr kleinen, elliptischen Erzählformen arbeiten, ohne dabei auf die Gefühle für die Figuren zu verzichten. Mit solch kleinen Momenten lässt sich eine viel intensivere Stimmung erreichen als mit dieser gigantischen Gefühlssauce.“

Schütte, der Mann der leisen Töne, erzählt in seiner liebenswerten Tragikomödie „Auf Wiedersehen Amerika“ die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise. Nach über 30 Jahren sagt Moshe New York ade und macht sich samt Frau Genovefa und Freund Isaak per Schiff auf nach Polen, seiner ehemaligen Heimat. Sie stranden in Deutschland, feiern Weihnachten in einem Berliner Obdachlosenheim und landen schließlich doch in Polen. Aber auch dort ist alles ganz anders, als es früher einmal war.

Schüttes Erzählweise ist voller Unebenheiten und Brüche. Lakonisch und fern aller Zielstrebigkeit entwickelt er die Geschichte als pikareskes Abenteuer, das aus dem verzweifelten Bemühen seiner grauhaarigen Helden entsteht, sich durch das Chaos dieser Tage zu mogeln. Schüttes Bilder prägt kein Kunstwille, sondern ein beiläufiger, fast dokumentarischer Gestus. Nicht eine einzige Einstellung bleibt in Erinnerung als Beispiel raffinierter Komposition. Stattdessen zeigt er sich mit der Impulsivität seiner Protagonisten solidarisch und vertraut damit auf das Assoziationsvermögen der Zuschauer.

„Auf Wiedersehen Amerika“ wurde 1994 auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt und mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.

Koyaanisqatsi

Koyaanisqatsi  Sollte der all zu oft bemühte Begriff „Kultfilm“ jemals einen Sinn haben, dann vermutlich für „Koyaanisqatsi“. Allein schon dieser Titel! In der Sprache der Hopi-Indianer hat er nicht weniger als fünf Bedeutungen: verrücktes Leben; Leben in Aufruhr; Leben in Auflösung; Leben aus dem Gleichgewicht; Leben in einem Zustand, der nach Veränderung ruft. Als „Koyaanisqatsi“ 1983 in die Kinos kam, waren viele (auch ich) vollkommen überwältigt von dieser filmischen Meditation über den endzeitlichen Verfall unserer Mutter Erde. Kein anderer Film entsprach so sehr der damaligen politischen Stimmung wie dieser, an dem Regisseur Godfrey Reggio, Kameramann Ron Fricke und Komponist Philip Glass sieben lange Jahre getüftelt hatten, ein fulminanter kinematografischer Bilderbogen, der vom Paradies über die Gegenwart der Städte bis zur Apokalypse reicht.

Am Anfang sehen wir den Grand Canyon in all seiner Schönheit, aus dem Hubschrauber mit erhabenen Totalen fotografiert, Wasserfälle und Wolkenformationen. Dann, nach etwa zwanzig Minuten, zieht das Unheil herauf: riesige Bagger, die sich am Idyll zu schaffen machen, Kraftwerke, die giftige Rauchschwaden ausspeien, Panzer, Autos, Rolltreppen, Hochhäuser. All diese Symbole der Dekadenz und des Untergangs sind durch das Prinzip der beschleunigten Montage strukturiert und assoziativ kombiniert. Menschen irren umher in labyrinthischen Bauten, Blechlawinen quälen sich durch den urbanen Moloch, Impressionen von zerfallenen Wohnsilos. Weiter führt die Bilderreise, immer hastiger, immer ruheloser, bis wir schließlich, nach der endlos erscheinenden Zeitlupenaufnahme einer explodierenden Rakete, zu den indianischen Höhlenzeichnungen der Eröffnungssequenz zurückkehren.

Heute, fast 20 Jahre später, frage ich mich, ob „Koyaanisqatsi“ tatsächlich etwas bewirkt hat, ob uns der Film damals zur Besinnung gebracht oder uns nur in Trance versetzt hat? Immerhin: Die „Grünen“ sitzen inzwischen in der ein oder anderen Regierung. Und das haben sie garantiert auch „Koyaanisqatsi“ zu verdanken.

 

The Killing

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Stanley Kubrick hat wie kaum ein anderer Regisseur die eklatanten Widersprüche des Filmemachens repräsentiert: zwischen dem klassischen Erzählkino (dessen Techniken er übernahm) und dem Experiment (das in all seinen Filmen stattfand), zwischen Hollywood (das er enttäuscht verließ) und Europa (wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete), schließlich zwischen Industrie (von der er sich durchfüttern ließ) und individueller Vision (die er unbeirrt auslebte). So hat Kubrick ein Kino geschaffen, das unsere Welt nicht nur abbildet, kritisiert und womöglich sogar verbessert, sondern das „dorthin gelangen wollte, wo noch niemand zuvor war“. Was der Kritiker Georg Seeßlen über das Lebenswerk des genialen Regisseurs, über Filme wie „2001: Odyssee im Weltraum“, „Shining“ oder „Eyes Wide Shut“ geschrieben hat, gilt in vielerlei Hinsicht schon für „The Killing“, Kubricks ersten kommerziellen und künstlerischen Erfolg von 1956.

Kaum ist Johnny Clay (Sterling Hayden) aus dem Gefängnis entlassen, will er schon das nächste große Ding drehen: Gemeinsam mit einigen alten Komplizen plant er, die Wetteinnahmen der Pferderennbahn zu klauen. Doch trotz ihres anscheinend perfekten Plans lassen sich nicht immer alle Eventualitäten vorhersehen. Es sind banale Zufälle und die Geldgier der Banditen, die den Coup letzten Endes zunichte machen …

Mit „Die Rechnung ging nicht auf“ – so der deutsche Titel – hat der damals 28-jährige Kubrick einen Schlussstrich unter das Genre des „Film noir“ gezogen – und das für ein Mini-Budget von 320.000 Dollar. Der harte, kompromisslos inszenierte Thriller stand für Filme wie Tarantinos „Reservoir Dogs“ Pate.