Im Lauf der Zeit

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„Im Lauf der Zeit“, das ist Wim Wenders Antwort auf „Easy Rider“. Die Harley hat er kurzerhand gegen einen altersschwachen MAN-Laster getauscht. Und den lässt er nun durch eine Republik knattern, die ausschließlich aus zerfallenen Fabriken, Imbissbuden und Tankstellen zu bestehen scheint.

“Ich sehe mich zum ersten Mal als jemand, der eine Zeit hinter sich gebracht hat, und dass diese Zeit meine Geschichte ist“, sagt Bruno, der den Laster steuert. Brunos Sehnsüchte gehören dem Kino. Menschen außerhalb des Kinos interessieren den Kinotechniker nicht, er erwartet auch nichts von ihnen. Ein Wunder eigentlich, dass er Robert mitnimmt. Der Psychologe ist mit einem leeren Koffer vor seiner Frau geflohen – und vor der Unfähigkeit, sie zu lieben.

Beide Männer schleppen ihre Innerlichkeit mit sich herum wie schweres Gepäck. Beide sind festgefahren, daher gehen sie auf Reisen. Von Lüneburg nach Hof, immer an der Grenze zur ehemaligen DDR entlang. In einem Laster, der die Erinnerungen an ihre Jugend bewahrt: Singles, Comics, Bücher, mit nur wenigen Versatzstücken zur Biografie seiner Protagonisten legt der Regisseur die Ursache der Schäden frei.

Landschaften ziehen vorüber. Sie werden gesehen von zwei Männern, die in ihrer Zeit nur zu Besuch zu sein scheinen. Die Zeit ist nicht für sie gemacht, sie wissen allerdings auch nicht, für wen sonst. Sie fahren weiter und immer weiter aus Angst, irgendwo hängen zu bleiben, das wahre Ziel nicht zu erreichen und erwachsen zu werden, ohne richtig gelebt zu haben.

Originalton vervollständigt die Bilder. Geräusche von Motoren, Zugrattern, Schiffstuckern, die diffuse Geräuschkulisse deutscher Kleinstädte, muffelnde Dialekte, Singen, Keuchen, Weinen.

Wim Wenders macht Reisefilme, die den Zuschauer abholen, um ihn Landschaften sehen und hören zu lehren. Reisen mit Wenders heißt: Suchen, wie man leben soll. Am Zielort bleibt die Frage zwar fast immer offen, doch allein die körperliche Erfahrung des Unterwegsseins, von Bewegung, von Rastlosigkeit hat die Menschen verändert.

„Es muss alles anders werden“ schreibt Robert am Ende des Films an Bruno. Doch ob es diese „anders werden“ wirklich gibt, ob die Suche nach einer besseren Welt, einer Welt, in der es sich zu leben lohnt, erfolgreich ist, zeigt „Im Lauf der Zeit“ nicht. Im Gegenteil: Alles was bleibt, ist tiefe Depression. Und genau dies ist eine der schmerzlichen Grenzerfahrungen des Reisens. Eine Erfahrung, die den Wunsch verstärkt, schleunigst wieder aufzubrechen.

Reefer and the Model

reefermodel

Reefer hat eine Reihe ziemlich schlechter Angewohnheiten: er behandelt Frauen wie den letzten Dreck, er raubt Banken aus, er lässt sich auch schon mal mit der IRA ein, ohne sich allerdings richtig darauf einzulassen. Manchmal bringt er sogar Menschen um. Kein Wunder, dass seine Mutter das Mädchen warnt: „Er ist der geborene Bastard, Liebes“. Doch das Mädchen ist auch nicht ohne: Ex-Prostituierte, Ex-Junkie und ganz unverkennbar schwanger von wem auch immer. Mit Reefers Freund Spider – früher bei der IRA, heute Frauenheld – und dem schwulen Armee-Deserteur Badger stechen sie auf Reefers Kutter in See und stellen in der Bucht von Galway Gesetz und Ordnung auf den Kopf.

„Ich hatte jahrelang auf Fischkuttern gearbeitet, und danach eine Kurzgeschichte über diese Welt geschrieben“, erklärt Regisseur Joe Comerford. „Die Geschichte bildete die Grundlage für den Film. Ich wollte eine menschliche Dimension für die Charaktere; es ist also kein Film, der sich gleich einordnen lässt.“

Comerfords irische „Bonnie und Clyde“-Variation ist eine grelle Mixtur aus Komödie, Thriller und Romanze, ein origineller und ziemlich schräger Blick auf Irland in den 80ern und vor allem ein schönes Beispiel für großartige irische Erzählkunst.

 

Reefer and the Model Irland/England 1987, 93 Minuten, ab 16 Jahren, R: Joe Comerford, D: Ian McElhinney, Carol Scanlan, Sean Lawlor

Magnolia

magnolia_ Magnolia heißt der große Boulevard, der das San Fernando Valley teilt. Hier verbinden sich eines Tages die Schicksale von neun Menschen, die allesamt auf der Suche nach Respekt, Würde und Liebe sind.

TV-Mogul Big Earl Partridge liegt auf dem Sterbebett. Während seine Frau Linda angesichts des drohenden Verlusts bereits den Mut verloren hat, versucht der Krankenpfleger Phil den letzten Wunsch des alten Mannes zu erfüllen: Er will dessen verlorenen Sohn Frank ausfindig machen. Aber dieser, inzwischen ein prominenter Sex-Guru, hat für immer mit dem Vater gebrochen.

Jimmy Gator, Moderator von Partridges populärer Quiz-Show, weiß ebenfalls, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat. Seine Tochter Claudia ist jedoch ebenso wenig zu einer Aussöhnung bereit. Dafür merkt die junge, drogenabhängige Frau, dass ihr Herz für den schüchternen Polizisten Jim schlägt.

Auch das Wunderkind Stanley hat Probleme mit seinem Vater. Und Donnie Smith, einst wie Stanley als Kinder-Star umjubelt, steht plötzlich vor den Trümmern seines Lebens. Aber dann fängt es an zu regnen …

Paul Thomas Anderson („Punch Drunk Love“) entfaltet in seinem bildgewaltigen Meisterwerk eine Vielzahl von Geschichten, die das gestörte Verhältnis zwischen Vätern und ihren Kindern behandeln. Liebe und Hass, Schuld und Sühne, Angst und Versagen sind die emotionalen Koordinaten, die diesen ambitionierten, doch zugleich äußerst unterhaltsamen Episodenfilm ordnen.

Völlig zu Recht mit dem Goldenen Bären der Berlinale 2000 ausgezeichnet.

 

Magnolia USA 1999, 188 Minuten, ab 12 Jahren, R: Paul Thomas Anderson, D: Julianne Moore, Jason Robards, Tom Cruise

Der Feuerwehrball

Ein tschechisches Dorf, Mitte der 60er. Ein Feuerwehrball wird vorbereitet. Nicht kleckern, sondern klotzen, lautet das großspurige Motto der Vereinsmeier, die den bunten Abend mit einer Tombola und einer Miss-Wahl krönen wollen.

Natürlich geraten die Feierlichkeiten zu einem einzigen Fiasko. Die Tombolapreise werden ebenso gestohlen wie das Präsent für den alten Feuerwehrchef. Die Teilnehmerinnen des Miss Feuerwehr-Contests wissen nicht gerade durch Liebreiz und Charme zu verlocken. Und als es dann auch noch brennt, rücken die angetrunkenen Feuerwehrleute den entscheidenden Moment zu spät aus.

Milos Formans beißende Satire über Spießertum und Bürokratie wurde in der damaligen ČSSR verboten, weil man in ihr eine Diffamierung der sozialistischen Institutionen zu sehen glaubte. Erst während des Prager Frühlings kam der Film in die Kinos. Nachdem im August 1968 die sowjetischen Panzer in Prag eingerollt waren, wurde ein erneutes Verbot verhängt, das 20 Jahre lang bestehen sollte.

Die große Kunst des tschechischen Regisseurs besteht in der eingehenden Beobachtung des Lebens, im Suchen und Finden von Situationen, die aufgrund ihrer Absurdität typisch dafür sind, eine Realität vorzuführen, die uns allen nur zu bekannt ist und daher auf der Leinwand eine solch erschütternde Wirkung hat.

Forman emigrierte übrigens nach dem Verbot seines Frühwerks, das ursprünglich „Anuschka – es brennt mein Schatz“ heißen sollte, in die USA und feierte dort mit „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) oder „Amadeus“ (1984) große Erfolge.

 

Der Feuerwehrball ČSSR/Italien 1967, 73 Minuten, ab 6 Jahren, R: Milos Forman, D: Václac Stockel, Josef Svet, Jan Vostrcil

Fahrraddiebe

fahraddiebe

„Fahrraddiebe“ gehört neben „Panzerkreuzer Potemkin“, „Citizen Kane“ oder „Die sieben Samurai“ zu den Filmen, die man einfach gesehen haben muss. Vittorio De Sica schuf mit seinem Meisterwerk ein vollkommen neues Genre, den Neorealismus, der das internationale Kino der 50er und 60er maßgeblich veränderte.

Antonio, der lange arbeitslos gewesen ist, kann endlich als Plakatkleber anfangen. Für den Job braucht er allerdings ein Fahrrad. Das wird mit der letzten Bettwäsche der Familie bei einem Pfandleiher ausgelöst und gleich am ersten Arbeitstag gestohlen. Da er von der Polizei keine Unterstützung erhält, macht sich Antonio, verfolgt von seinem kleinen Sohn, auf die Suche nach dem Dieb. Schicksal und Zufall führen sie zum Täter, einem jungen Mann, dem es noch schlechter als ihnen geht. In seiner Verzweiflung versucht Antonio selbst ein Fahrrad zu stehlen. Fassungslos muss der Junge mitansehen, wie sein Vater gestellt und von fremden Menschen erniedrigt wird.

Nachdem Hollywood-Produzenten abgewunken hatten, die lieber Cary Grant in der Hauptrolle gesehen hätten, war De Sica auf die finanzielle Hilfe seiner Freunde angewiesen. Er drehte an Originalschauplätzen und ausschließlich mit Laiendarstellern. Den straffen Inszenierungsstil und die unsentimentale Sozialkritik hat der Regisseur durch eine dezente romantische Tonlage angereichert. Entstanden ist nicht nur ein Film über die Stadt Rom und ihre Bewohner in der Nachkriegszeit, sondern das Portrait eines kleinen Mannes, der unter der Brutalität der großen Stadt zu zerbrechen droht, bis sein Sohn, für den dieses Erlebnis die erste große Welt-Enttäuschung darstellt, tröstend die Hand in seine legt.

 

Fahrraddiebe Italien 1948, 88 Minuten, s/w, ab 12 Jahren, R: Vittorio de Sica, D: Lamberto Maggiorani, Enzo Staiola, Lianella Carell

Das Zigeunerlager zieht in den Himmel

Alexei Peschkow, geboren 1868 und bereits im Alter von neun Jahren verwaist, musste früh die Schule verlassen und reiste auf der Suche nach Arbeit durch weite Teile Russlands. Unter dem Eindruck seiner Erlebnisse schrieb er die Erzählung „Makar Tschudra“, die von der russischen Romantik geprägt ist und zu deren Veröffentlichung er sich das Pseudonym „Maxim Gorki“ – Gorki heißt Der Bittere“ – zulegte. Er erzählt darin die Geschichte eines Zigeunerclans, der versucht, gestohlene Pferde über die österreichisch-ungarische Grenze zu schmuggeln. Bei einem Polizeieinsatz wird der Zigeuner Sobar verwundet. Rada, eine junge, unbekannte Zigeunerin, rettet ihn und heilt seine Wunden. Sobar verliebt sich in das Mädchen. Doch diese ist misstrauisch: „Keinen habe ich jemals geliebt, aber dich liebe ich. Aber ich liebe auch die Freiheit, und die Freiheit liebe ich mehr als dich.“ Sie will Sobar nur dann gehören, wenn er ihr seine Demut beweist.

Die hierzulande wenig bekannte Verfilmung von Emil Loteanu („Anna Pawlowa“, „Skorlupa“) nutzt die dramatische Liebesgeschichte zwischen der stolzen Rada, die ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben mag, und dem verwegenen Pferdedieb Sobar, um ein Feuerwerk der Tänze, Lieder und Leidenschaften abzubrennen. Der moldawische Regisseur hat den 1976 auf 70 mm gedrehten Film zwar mit allerhand sinnenfreudigen Bildern und einem prachtvollen Ton ausgestattet, ihm ist jedoch das Kunststück gelungen, dass man den bisweilen etwas übertriebenen Folklorismus des „lustigen Zigeunerlebens“ prima erträgt.

 

Das Zigeunerlager zieht in den Himmel UdSSR 1976, 99 Minuten, ab 12 Jahren, R: Emil Lotjanu, D: Swetlana Toma, Grigori Grigoriu, Boris Mulajew

Was Mädchen wollen

Es war einmal ein Mädchen namens Daphne, das schön und weiß von Angesicht war und nur den einen Wunsch hatte, seinen Vater kennen zu lernen. Also sprach es zu seiner Mutter: „Ich habe das Gefühl, als wäre ich nur zur Hälfte da. Wie soll ich ohne die andere Hälfte wissen, wer ich eigentlich bin?“ Die Mutter antwortete: „Daphne, dass du jemanden kennen lernst, der dieselbe DNS hat wie du, ist nicht die Antwort. Viel wichtiger ist, dass du dich selbst kennen lernst!“

Daphne aber war ein treffliches Trotzköpfchen, und so packte sie ihre sieben Sachen und nahm den Weg beherzt zwischen die Beine. Ihr Ziel war London, denn dort lebte ihr Vater in einem Schloss zusammen mit seiner Verlobten und deren Tochter, die garstig von Herzen waren.

Der Vater nahm sein Kind bei sich auf, beschenkte es bald mit schönen Kleidern und Geschmeiden und machte es auch mit allerlei Edelmännern bekannt. Daphne jedoch hatte Feuer gefangen für einen jungen Spielmann mit Namen Ian, der hatte wenig zu beißen und zu brechen, war aber gescheit und wusste sich in alles wohl zu schicken. „Warum passt du dich an, wenn es dir doch vorbestimmt ist, dich von der Masse abzuheben?“, fragte der Jüngling seine Braut. Nun geschah es, dass sie so leben wollte wie ehedem und so nahm sie Reißaus und floh ihrem Vater und ihrem Angebeteten …

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, möchte man nach dieser süßlichen Märchenverfilmung nur noch ausrufen. Sicher: die Kernzielgruppe dieses oberflächlichen Spekulationsobjekts, also 12 bis 15-jährige Girlies, wird diese albernen Mätzchen womöglich als romantisch oder so bezeichnen, normale Menschen hingegen nur als peinlich und überflüssig.

 

Was Mädchen wollen USA 2003, 105 Minuten, ab 12 Jahren, R: Dennie Gordon, D: Amanda Bynes, Colin Firth, Kelly Preston

Kurzgeschnitten

Eine tschechische Kleinstadt, Anfang der 1920er Jahre. Francin, Geschäftsführer einer Brauerei und seine charmante Gattin Marja sind auf den ersten Bick ein ziemlich ungleiches Paar. Das fängt schon beim Frühstück an: während er sich mit Graubrot und Kaffee begnügt, zieht sie Schnitzel und Bier vor. Doch obwohl die junge Frau anderen Männern ordentlich den Kopf verdreht, lieben sich beide immer noch sehr und machen sich gegenseitig alle naslang Geschenke: vom Patent-Nadeleinfädler bis zum Expander, der jeden Mann zum Muskelprotz werden lässt.

Als Marjas Schwager Pepin zu Besuch kommt, ist das Idyll bedoht. Der liebenswerte Schuhmacher ist nämlich die entscheidende Nuance zu laut und geht allen mächtig auf die Nerven. Francin versucht ihn auszutricksen, indem er ihn mit Arbeit nur so uberhäuft. Nachdem sich Marja bei einem fidelen Tänzchen mit dem Schwager den Knöchel verknackst hat und gezwungen ist, das Bett zu hüten, hat Francin sein Ziel erreicht: seine Gemahlin ist auf seine Hilfe angewiesen und kann kein Chaos mehr anrichten, sein Bruder ist viel zu beschäftigt, um noch rumkrakeelen zu können. Doch dann beginnt er zu singen …

Oscar-Preisträger Jirí Menzel („Liebe nach Fahrplan“, „Heimat, süße Heimat“) schuf mit „Kurzgeschnitten“ eine böhmische Komödie voller Lebenslust und Poesie. Mit feiner Ironie, teilsweise aber auch deftigem Humor, beschreibt der Regisseur den Übergang von der guten, alten zur schnelllebigen, modernen Zeit. Der Film beruht auf einem Roman von Bohumil Hrabal, mit dem Menzel schon bei einigen anderen Filmen erfolgreich zusammen gearbeit hat.

 

Kurzgeschnitten CSSR 1980, 98 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jirí Menzel, D: Jiri Schmitzer, Magda Vasáryová, Jaromír Hanzlík

Der rosarote Panther wird gejagt

pantherPeter Sellers war ein rastloses Universalgenie, ein absoluter Workoholic. In nicht einmal 30 Jahren drehte er fast 70 Filme, in denen er bisweilen sogar Doppel- und Dreifachrollen spielte: den amerikanischen Präsidenten in „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, den sympathisch unbedarften Gärtner in „Willkommen, Mr. Chance“ oder – seine Paraderolle – Inspektor Clouseau in den „Pink Panther“-Filmen. Die Warnungen seines Herzens ließen ihn unbeeindruckt. Er arbeitete besessen weiter, bis der Muskel im Alter von nur 55 Jahren rebellierte.

Zwei Jahre nach seinem Tod wurde Sellers von Regisseur Blake Edwards ein weiteres Mal auf die Suche nach dem „Rosaroten Panther“, einem unbezahlbaren Diamanten, geschickt.

Die Ermittlungen führen den tollpatschigen Inspektor in den Nahen Osten, allerdings kommt er dort nie an. Von seinem Verschwinden würden etliche Leute profitieren: der dubiose Herrscher eines Kleinstaates beispielsweise, der schon Clouseaus Lebensversicherung eingestrichen hat, aber auch sein Chef. Die berühmte TV-Reporterin Marie Jouvet beginnt zu recherchieren – bis auch sie Opfer einer Entführung wird.

In „Der rosarote Panther wird gejagt“ hat Edwards alte, bislang nicht veröffentlichte Szenen, Outtakes und gefakte Interviews mit bekannten Weggefährten (David Niven gibt sich noch einmal die Ehre) zu einer köstlichen Burleske collagiert, die als liebenswürdiger Nachruf auf den unvergesslichen Komiker Sellers zu verstehen ist.

 

Der rosarote Panther wird gejagt England 1982, 97 Minuten, ab 6 Jahren, R: Blake Edwards, D: Peter Sellers, Joanna Lumley, David Niven, Capucine

Kalina Krassnaja – Roter Holunder

Überschäumende Lebenslust oder abgrundtiefe Melancholie: Die großen Gefühle der kleinen Leute hat fast jeder sowjetische Regisseur von Rang in seinen Filmen zum Thema gemacht. Wassili Makarowitsch Schukschin, an der Moskauer Filmhochschule Kommilitone des berühmten Andrej Tarkowski („Solaris“), ist da natürlich keine Ausnahme.

„Kalina Krassnaja“ („Roter Holunder“), seine wohl bekannteste Regiearbeit, erzählt die Lebensgeschichte von Jegor Prokudin, der aus dem Gefängnis entlassen wird und nun in der Provinz zu einem normalen Leben zurückfinden will. Ljuba, mit der er in der Haft eine Brieffreundschaft pflegte, hilft ihn dabei und bringt ihn im Haus ihrer Familie unter. Als ihn seine ehemaligen Komplizen dazu bewegen wollen, wieder gemeinsame Sache mit ihnen zu machen, lehnt er ab. Es kommt zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Jegor stirbt. Ljubas Bruder rächt ihn, indem er die Gangster mit ihrem Auto in einen Fluss stürzen lässt.

„Wir sehen einen gebrochenen, kontrastreichen Charakter mit psychologischen Diskrepanzen und erschreckenden Wandlungen“, hat Regisseur Schukschin über seinen Helden gesagt. Das eindringliche Plädoyer für die Resozialisierung Straffälliger war nicht nur stilprägend für den sowjetischen Film der 70er, angeblich soll es auch der Lieblingsfilm Rainer Werner Fassbinders gewesen sein, der sich durch diese „Franz Biberkopf“-Variation zu seiner Verfilmung von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ hat inspirieren lassen.

 

Kalina Krassnaja UdSSR 1974, 108 Minuten, ab 12 Jahren, R: Wassili Schukschin, D: Wassili Schukschin, Lydia Fedossejewa-Schukschina, Marija Skworzowa