Die Nacht (La notte)

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Zwei Momente gibt es im Leben, die man auf keinen Fall verpassen sollte: den Moment, in dem die Liebe anfängt. Und den, in dem sie aufhört. Den ersten Moment, den des Glücks, hat das Kino oft genug durchgespielt. Für den zweiten, den des Unglücks, gibt es jedoch weniger Bilder, nur viele Worte.

Der Schriftsteller Giovanni und seine Frau Lidia haben sich im Laufe der Zeit auseinandergelebt. Lediglich die Freundschaft zu dem todkranken Schriftsteller Tommaso verbindet die beiden. Nach einem Fest irrt Lidia ziellos durch die Straßen Mailands und gelangt schließlich in die verarmte Vorstadt, in der sie und ihr Mann aufgewachsen sind…

Die knappe Handlung ist vollendet inszeniert: Alles in diesem Film erscheint als Oberfläche. Es gibt keine Intrige, kein Mysterium, außer dem der Gefühle der Protagonisten, verloren inmitten der kalten Architektur aus Glas und Beton. Antonioni verzichtet auf die klassische Dramaturgie des Erzählens, verzichtet auf jede Form von Psychologie, verzichtet auf jede Erklärung der gezeigten Ereignisse. So gelingt es ihm, den Verlust der Liebe in jeder Szene spürbar zu machen. Allein die Drehorte – das Krankenzimmer, die Straße, die Bar – wirken wie Symbole der Einsamkeit. Doch nur die Frau scheint das zu erkennen; aus ihrer Perspektive erlebt der Zuschauer die Trennung. Sieht den letzten Kuß, eine Illusion. Liebe, so sagt die andere Schöne, die im Reigen mitspielt, sei Betrügen.

Marcello Mastroianni mit seiner Naivität, mit seiner Wärme und kümmerlichen Hoffnung und Jeanne Moreau mit ihrer vollkommenen Desillusionierung – das sind die beiden Prototypen des modernen Menschen, wie ihn Antonioni sieht. Und sie finden sich vielfältig variiert in allen Nebenfiguren des Filmes wieder.

„Die Nacht“ ist der zweite Teil einer Trilogie über das Leben im Europa der Nachkriegszeit. Der erste Teil „Die mit der Liebe spielen“ entstand 1960, der dritte „Liebe 1962“ zwei Jahre später. Auf der Berlinale 1961 gewann „Die Nacht“ den Goldenen Bären.

 

Die Nacht Italien/Frankreich 1961, 121 Minuten, ab 16 Jahren, R: Michelangelo Antonioni; D: Jeanne Moreau, Marcello Mastrioanni, Monica Vitti, Bernard Wicki

Beruf Reporter (Professione: Reporter)

Extrem lange Einstellungen, kaum Schnitte, sanfte Überblendungen: mit stilistischen Mitteln wie diesen ist Michelangelo Antonioni berühmt geworden. Die Filme des 1912 in Ferrara geborenen Regisseurs wirken selbst losgelöst von Handlung oder Bewegung, seine photographischen Inszenierungen überzeugen gleichermaßen durch ihre Direktheit … Weiterlesen

Blow Up

Was wir wahrnehmen können, ist nur ein trügerisches Außenbild, was daran „wahr“ ist und was nicht, können wir nicht erkennen. Daß die eigentliche Realität unsichtbar ist, also hinter der Oberfläche der Dinge verborgen bleibt, hat Michelangelo Antonioni immer wieder thematisiert. Und so lotet der italienische Regisseur auch in seinem 1966 entstandenen Film „Blow-Up“ die Grenzen der Wahrnehmung aus, den illusionären Charakter jedweder Sinneseindrücke.

Thomas (David Hemmings) ist ein junger, ehrgeiziger Fotograf in „swinging“ London, der einen Rolls Royce fährt und seine innere Leere durch einen prall gefüllten Terminkalender zu überspielen versucht. Er glaubt, die Wirklichkeit in seinen Bilder arrangieren und festhalten zu können. Daß er die Frauen verachtet, die sich von ihm für Modeaufnahmen ablichten lassen, versucht er nicht zu verbergen und er lässt sie, wenn er unzufrieden mit ihnen ist, während eines Shootings einfach stehen. Als er eines Tages Schnappschüsse in einem Park macht und dabei auch ein Pärchen knipst, verlangt die Frau (Vanessa Redgrave) von ihm den Film. Stutzig geworden, entwickelt Thomas die Fotos und glaubt, auf einem einen Gewehrlauf zu erkennen. Ist er Zeuge eines Verbrechens geworden? Nachdem er das Bild wieder und wieder vergrößert hat (to blow up), löst sich die Waffe schließlich in der Körnung des Filmmaterials auf. Völlig verstört treibt er daraufhin durch die englische Hauptstadt, besucht ein Yardbirds-Konzert und eine wüste Drogen-Party. Am nächsten Tag sind die Fotos aus seinem Studio verschwunden. Alles, was ihm bleibt, ist die Erinnerung.

Antonioni hat in „Blow-Up“ die Pop-Kultur auf ihren bunten Begriff gebracht: Dazu haben nicht nur die kraftvolle Inszenierung und die lebhafte Montage beigetragen, sondern natürlich auch Herbie Hancocks fabelhafter Soundtrack.

„Oscar“-Nominierungen gab es 1966 für die Regie und das Drehbuch von „Blow up“. Obwohl Antonioni am Ende leer ausging, gilt sein Film inzwischen längst als Meilenstein der Filmgeschichte.

 

Blow Up England 1966, 111 Minuten, ab 18 Jahren, R: Michelangelo Antonioni; D: David Hemmings, Vanessa Redgrave, Jane Birkin