Mrs Dalloway

„Sie hatte immer das Gefühl, es sei sehr, sehr gefährlich, auch nur einen einzigen Tag zu leben“, heißt es in Virginia Woolfs Erzählung „Mrs. Dalloway“, die Anfang der 20er Jahre in London spielt.

Clarissa Dalloway, von der hier die Rede ist, Gattin des einflussreichen Politikers Richard Dalloway, ist gerade dabei, eine ihrer berühmten Abendgesellschaften vorzubereiten, als nach über 30 Jahren ihre Jugendliebe Peter Walsh vor der Tür steht. Sein überraschender Besuch erinnert Clarissa an die Zeit, als sie sich zwischen ihm und ihrem Ehemann entscheiden musste. Damals wählte sie den biederen Richard, nicht etwa aus Liebe, sondern aus Angst vor dem Leben und um kein Risiko einzugehen. Peter hätte ihr sicherlich mehr Freiheiten zugestanden. Sie erinnert sich auch an ihre unkonventionelle Freundin Sally, mit der sie womöglich das große Glück hätte finden können. Clarissa erkennt, dass sie all die Jahre in einem goldenen Käfig gelebt hat. Von Trauer und unerfüllten Sehnsüchten übermannt, denkt sie daran, Selbstmord zu begehen. Als sie während der Party vom Schicksal eines jungen Kriegsheimkehrers erfährt, der unter einem Trauma leidet, seit sein bester Freund vor seinen Augen von einer Granate zerrissen wurde, verwirft sie diesen Plan jedoch.

Virginia Woolf verknüpft auf kunstvolle Weise die Erlebnisse, Träume und Gefühle zweier Menschen, die sich nie begegnen. Dabei stehen nicht die äußeren Ereignisse im Mittelpunkt, sondern die Innenperspektive der Protagonisten: Gegenwart und Erinnerung, Reales und Imaginäres werden eins.

Nach dem Erfolg ihres Oscar-prämierten Films „Antonias Welt“ adaptierte Marleen Gorris eines der bekanntesten Werke der Frauenliteratur als kontemplatives Kammerspiel, das Clarissas Verwirrung der Gefühle psychologisch differenziert ausleuchtet. Die hochkarätige Besetzung – Vanesse Redgrave und Natasha McElhone – gleicht manch inszenatorische Unbeholfenheit mühelos aus und garantiert Kinogenuß auf höchstem Niveau.

 

Mrs Dalloway NL/GB/USA 1997, 97 Minuten, ab 12 Jahren, R: Marleen Gorris D: Vanessa Redgrave, Natasha McElhone, Alan Cox, Rupert Graves

Blow Up

Was wir wahrnehmen können, ist nur ein trügerisches Außenbild, was daran „wahr“ ist und was nicht, können wir nicht erkennen. Daß die eigentliche Realität unsichtbar ist, also hinter der Oberfläche der Dinge verborgen bleibt, hat Michelangelo Antonioni immer wieder thematisiert. Und so lotet der italienische Regisseur auch in seinem 1966 entstandenen Film „Blow-Up“ die Grenzen der Wahrnehmung aus, den illusionären Charakter jedweder Sinneseindrücke.

Thomas (David Hemmings) ist ein junger, ehrgeiziger Fotograf in „swinging“ London, der einen Rolls Royce fährt und seine innere Leere durch einen prall gefüllten Terminkalender zu überspielen versucht. Er glaubt, die Wirklichkeit in seinen Bilder arrangieren und festhalten zu können. Daß er die Frauen verachtet, die sich von ihm für Modeaufnahmen ablichten lassen, versucht er nicht zu verbergen und er lässt sie, wenn er unzufrieden mit ihnen ist, während eines Shootings einfach stehen. Als er eines Tages Schnappschüsse in einem Park macht und dabei auch ein Pärchen knipst, verlangt die Frau (Vanessa Redgrave) von ihm den Film. Stutzig geworden, entwickelt Thomas die Fotos und glaubt, auf einem einen Gewehrlauf zu erkennen. Ist er Zeuge eines Verbrechens geworden? Nachdem er das Bild wieder und wieder vergrößert hat (to blow up), löst sich die Waffe schließlich in der Körnung des Filmmaterials auf. Völlig verstört treibt er daraufhin durch die englische Hauptstadt, besucht ein Yardbirds-Konzert und eine wüste Drogen-Party. Am nächsten Tag sind die Fotos aus seinem Studio verschwunden. Alles, was ihm bleibt, ist die Erinnerung.

Antonioni hat in „Blow-Up“ die Pop-Kultur auf ihren bunten Begriff gebracht: Dazu haben nicht nur die kraftvolle Inszenierung und die lebhafte Montage beigetragen, sondern natürlich auch Herbie Hancocks fabelhafter Soundtrack.

„Oscar“-Nominierungen gab es 1966 für die Regie und das Drehbuch von „Blow up“. Obwohl Antonioni am Ende leer ausging, gilt sein Film inzwischen längst als Meilenstein der Filmgeschichte.

 

Blow Up England 1966, 111 Minuten, ab 18 Jahren, R: Michelangelo Antonioni; D: David Hemmings, Vanessa Redgrave, Jane Birkin