Eigentlich erzählt „Razzia in St. Pauli“ nur eine kleine melodramatische Geschichte: von der Prostituierten Else, die versucht ihrem Zuhälter den Laufpass zu geben, um mit dem Matrosen Karl das kleine Glück zu finden. Die Film-Oberprüfstelle sah das allerdings etwas anders. „Der Bildstreifen spielt unter dem Vorwand eines sozialen Anklagefilms zu einem Großteil im und am Bett und im Schlafzimmer einer Hafendirne und im übrigen in einer Matrosen- und Verbrecherkneipe,“ heißt es in ihrem Beschluss vom 7.12.1933. „Eine solche Darstellung ist mit der heutigen Auffassung von Sitte und Anstand nicht in Einklang zu bringen und läuft den Bestrebungen des neuen Staates entgegen, der die Prostitution als eine körperliche und sittliche Gefahrenquelle bekämpft. Diesen Bestrebungen schlägt es geradezu ins Gesicht, wenn hier eine nicht abreissende Kette von Brutstätten des Lasters und der Unzucht im Bilde vorgeführt wird, sodaß in dem Beschauer der Eindruck entsteht, als wären derartige Zustände auch im heutigen Staat noch denkbar oder gar möglich.“
Und so wurde Werner Hochbaums beeindruckendes Hamburg-Portrait mir nichts dir nichts verboten. Hochbaum, der einer der Vorreiter des proletarischen Kinos war, ging daraufhin nach Wien, wo er mit „Vorstadtvarieté“ und „Die ewige Maske“ überaus erfolgreiche Filme herstellte. Bis 1939 arbeitete er dann für die UFA, doch mit Beginn des Krieges erhielt er Berufsverbot und musste unter falschem Namen Drehbücher schreiben. Er starb 1946 bei den Vorbereitungen zu seinem ersten Nachkriegsfilm: einer Dokumentation über den Widerstand gegen Hitler.
Razzia in St. Pauli Deutschland 1932, 62 Minuten, ab 16 Jahren, R: Werner Hochbaum D: Gina Falckenberg, Wolfgang Zilzer, Friedrich Gnaß