„Ein heiteres Spiel, ein ernster Scherz“ nannte Harry Mulisch sein 1992 erschienenes Opus Magnum „Die Entdeckung des Himmels“, einen 870-seitigen Roman, der Zeitgeschichte der 60er und 70er Jahre, Theologie und Philosophie verbindet.
Wie verfilmt man so ein Werk? Im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit. Der holländische Schauspieler Jeroen Krabbé („Auf der Flucht“) hat es gewagt – und einen Achtungserfolg errungen. Seine Adaption ist mitreißendes und anspruchvolles Kino, eine Kombination aus Mystery-Thriller und Drama. Der Preis dafür: eine vollständige Reduktion der Vorlage auf ihre pure Handlung.
Mitte der 60er-Jahre lernen sich zwei ungleiche Männer kennen: der charmante Astrophysiker Max (Greg Wise) und Onno (Stephen Fry), ein exzentrischer Nachwuchspolitiker. Schon bald verbindet sie eine so enge Freundschaft, dass sie sich die „kosmischen Zwillinge“ nennen – und sich in dieselbe Frau verlieben, die bezaubernde Musikerin Ada (Flora Montgomery). Was der Roman kaum thematisiert, wird in Krabbés Film von Anfang an angesprochen: Das ausschweifende Treiben der Flower-Power-Generation ist kein Sittenverfall, sondern vom Schöpfer beabsichtigt. Denn Gott hat Adas ungeborenen Sohn dazu auserwählt, ihm Moses‘ verschollene Steintafeln mit den Zehn Geboten zurückzubringen.
Bei Mulisch ist diese wundersame Mechanik in ein dichtes Netz feinsinniger Diskurse eingebunden, die auf der Leinwand nicht immer darstellbar sind. Krabbé beschränkt sich auf einen zentralen Gedanken, weil er mit ihm den ganzen Stoff in den Griff bekommt: den Gedanken des Determinismus, versinnbildlicht im Getriebe alter Uhrwerke. Deshalb dreht sich alles in diesem Film, die Figuren, das Leben, die Kamera, selbst das Firmament, denn alles gehorcht einem rätselhaften Plan.
In seiner Rasanz entfaltet „Die Entdeckung des Himmels“ eine bezwingende Magie, da nimmt man sogar das triefende Himmelfahrts-Finale in Kauf.
Die Entdeckung des Himmels NL 2001, 132 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jeroen Krabbé, D: Stephen Fry, Greg Wise, Flora Montgomery, Neil Newbon